Gabelsbergers Redezeichenkunst international
Zum 25. Intersteno-Kongreß
Von A. Scheigenpflug, Landshut
Die im „Jahre 1834 erschienene „Anleitung zur deutschen Redezeichenkunst der „Stenografie“ von Franz Xaver Gabelsberger hat den europäischen Völkern die kursive Schnellschrift übermittelt. Aus ihr floß ein unversiegbarer Strom von Anregungen hin über Mitwelt und Nachwelt.
Noch zu Lebzeiten des Erfinders kam der Leutnant Josef Mindler (7. 2. 1808 —20. 10. 1868), der 1835 zur Begleitung des bayerischen Prinzen Otto, des ersten Königs der Hellenen, gehörte, zum Altmeister nach München und erlernte die Redezeichenkunst, die er auf die neugriechische Sprache, erschienen 1843, übertrug.
Aus Gabelsbergers „Anleitung“ erlernte im März 1839 Ignaz Jakob Heger (5.7. 1808 – 10. 5. 1854), seit 1833 in Wien tätig. die Redezeichenkunst und schuf deren Übertragung auf das Tschechische im Jahre 1845. Die Kurzschrift des neuen. tschechoslowakischen Staates von Herout Mikulik ist kursiv und läßt die Gabelsbergersche Abkunft erkennen.
(Paul Strassner. Kurzschriftlehre, 8.61, 87.)
Nachdem Heger die Übertragung fünf Jahre im Unterricht erprobt hatte, gab er 1849 eine „Kurze Anleitung zur Stenotachygraphie für die vier slawischen Hauptsprachen“, nämlich das Tschechische, Polnische, Südslawische und Russische, heraus. (Ignaz Jakob Heger, sein Leben und sein Wirken“ von Max Scheunig, Dresden, in „Deutsche Kurzschrift“, 5. Heft 1939. S. 247 ff.)
Im Jahre 1848 kam aus Kopenhagen David Dessau (19.9.1819-9.1. 1893) zum Altmeister, um im amtlichen Auftrag seine Stenografie zu er- lernen; er hat sie auf das Dänische übertragen, erschienen 1853. Verschiedene Verbesserungen, insbesondere von Oberst a.D. Olaf Werling Melín (3. 8. 1861 – 15. 1. 1940), verschafften der Gabelsberger-Dessauischen Schrift die Alleinherrschaft in Dänemark. (vgl. „Deutsche Kurzschrift“ ,Heft 3 bis 5, 1940).
Nach Gabelsbergers jähem I-Hinscheiden veröffentlichte im Jahre 1858 Anton Ritter von Leinner (9.3.1813-20.3.1895) in Graz eine Übertragung der Redezeichenkunst auf das Italienische (Vgl. Rudolf Weinmeister in „Deutsche Kurzschrift“, 8. Heft 1934, S. 242 ff.). Aber schon 1863 trat Heinrich Noe (18. 6.1835 – 21. 12. 1914) in Spalato mit einer neuen Übertragung auf die italienische Sprache hervor, welche Schriftung auch in Tirol (Innsbruck) Verbreitung gefunden hat. Diese Übertragung wurde 1928 als Einheitskurzschrift in Italien eingeführt. Nach der amtlichen Einführung dauerten die Vereinfachungsbestrebungen an, die zum Aufkommen neuer Systeme führten, so daß die Einheit 1937 aufgehoben wurde; doch hat auch noch heute des System Gabelsberger-Noe die Vorherrschaft (vgl. „Heinrich Noe“ von Dr. Julius Wilhelm in „Deutsche Kurzschrift“, 6. Heft 1939, S. 280 ff.).
Im Jahre 1861 erschien eine Übertragung der Redezeichenkunst Gabelsberger von Josef Polinski (gest. 131.2. 1901) auf die polnische Sprache.
Iwan Markowitz (22, 1. 1838–5. 4. 1893) übertrug 1863 Gabelsbergers System auf das Ungarische. Zwar wurde in Ungarn 1927 das verbesserte System Radnai als Einheitskurzschrift eingeführt, doch läßt auch diese Gabelsbergerschen Ursprung erkennen.
Im Jahre 1873 gab Joven Milovanovic (1.4.1845-~24. 10.1933) ein Lehrbuch für die serbische Sprache (auch in der montenegrischen Skupschtina verwendet) nach dem System Gabelsberger heraus.
Schon 1864 schuf Franz Magdic (l830 – 1914) in Graz die noch heute maßgebende Gabelsbergersche Übertragung auf das Kroatische (siehe „Gabelsberger und Posener“ von Dr. R. Weinmeister im „Gedenkbuch Franz Xaver Gabelsberger“, S. 158/9).
Anton Bezensek (l854-4915), der Apostel der Stenografie auf dem Balkan, brachte 1874 die Übertragung auf das Bulgarische heraus.
In Siebenbürgen gab im Jahre 1864 Dimitrie Ràcucin eine rumänische Übertragung des Systems Gabelsberger heraus. Eine weitere Übertragung nach Gabelsberger erfolgte durch Eugen Suceveanu. Er schuf 1866 seine erste Übertragung, die jedoch nicht im Druck erschienen ist. Eine Umarbeitung hatte er im Jahre 1871 fertig; Sie erschien 1872. Weitere rumänische Übertragungen schufen 1905 Eduard Kohn in Bukarest, 1914 R. Bènchea in Kronstadt und 1928 Constantin Loghin in Czernowitz (siehe „Geschichte der rumänischen Kurzschrift“ von Michael Graeser, Mediasch, in „Deutsche Kurzschrift“, (6. Heft 1940, S. 175 ff.).
Eine Übertragung der Gabelsbergerschen Stenografie auf das Russische schuf unter Dr. J. W. Zeibigs (1819–l905) Unterstützung 1883/84 von Torgnauw Nicolai Cgorowitsch (18l2-1882) (siehe Dr.Bonnet: „Männer der Kurzschrift“, S. 205).
So hat Franz Xaver Gabelsberger die kurzschriftliche Entwicklung in überragender Weise beeinflußt. Professor Mario Boni, Mailand, hat in seinem Buch „Der unsterbliche Gabelsberger“. (Deutsche Übersetzung. 5.12) ausgeführt:
„Keine Stenografie der ganzen Welt hat es verstanden, sich dem Werk des Meisters zu nähern, geschweige denn es zu übertragen, das unübertroffen ist hinsichtlich ästhetischer Schönheit, Tiefe und Auffassung, Wissenschaftlichkeit der Grundsätze, Geläufigkeit und Verschiedenartigkeit der Formen, der noch heute ganz und gar nicht erforschten, geordneten und ausgelegten „graphischen Welt“ von Gabelsberger.
Wenn Goethe einer der größten Dichter war, dessen sich die Menschheit rühmt, so war Gabelsberger das allergrößte Genie, das die Menschheit in der stenografischen Welt hervorgebracht hat.
Und ein solcher gehört nicht nur einer einzigen Nation an, sondern „wie alle großen, künstlerischen Schöpfer des Schönen, gehört er der ganzen Menschheit“.
Nachschrift des Verfassers:
Bei dem außerordentlichen Umfang des stenografischen Schrifttums können vorstehende Ausführungen keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Bemerkt sei, daß gegen Ende des Jahres 1906 das Königlich Stenografísche Institut in Dresden in Heckners Verlag, Wolfenbüttel, ein Stammbuch, eine Sammlung aller Übertragungen des Gabelsbergerschen Systems auf fremde Sprachen in Lieferungen herausgegeben hat. Ferner sei auch auf die Veröffentlichungen im „Jahrbuch der Schule Gabelsberger” hingewiesen.